In Zürich war es ohne Lampen pechschwarz

Das Grand Hotel Victoria stand an der Ecke Bahnhofplatz/Löwenstrasse. Hierhin wurde das erste Mal Strom geliefert. Foto: Baugeschichtliches Archiv

In Zürich galt die elektrische Strassenbeleuchtungen einst als Luxus. Heute ist sie nicht mehr wegzudenken. Vor 125 Jahren lieferte das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich zum ersten Mal Strom.

Pechschwarz soll es in Zürich gewesen sein: «Auch die flackernden, zu hoch hängenden Petroleumfunzeln halfen kaum über den Weg. Jeder Bürger tastete sich mit seiner Handlaterne wie ein Leuchtkäfer nach Hause», heisst es in der Chronik des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (EWZ), «Licht-Kraft-Wärme: 100 Jahre Zürcher Elektrizitätswerk Letten, 1892– 1992». Und dann das: Am Sechseläuten 1855 habe der in Zürich anwesende Physiker Robert von der Galerie des Grossmünsterturms aus die Stadt durch elektrisches Licht – Scheinwerfer – beleuchtet. «An beiden Quais war es fast so hell wie beim hellsten Vollmondlicht.»

Doch erst 37 Jahre später, am 3. August 1892, strahlten in Zürich die ersten elektrischen Lampen – nämlich im Grand Hotel Victoria am Bahnhofplatz. Lange über das Mittelalter hinaus blieben selbst grosse Städte dunkel. In Zürich könnte man die Öllaterne, die der Rat im Jahre 1778 zwischen Rathaus und Hauptwache aufgehängt hatte, als erste Strassenbeleuchtung bezeichnen. Es dauerte, bis die Bürgerversammlung 1806 beschloss, eine Strassenbeleuchtung mit Öllaternen einzuführen. «In hellen Mondnächten wurde Öl gespart und auf öffentliches Licht verzichtet», schrieb der verstorbene Lokalhistoriker Walter Baumann in der EWZ-Chronik.

Danach wechselte man auf Gas: 1856 wurde die öffentliche Gasbeleuchtung eingeweiht. 25 Jahre später, 1881, brannten in Zürich 1288 öffentliche Gaslaternen, davon 932 in der Stadt und 356 in den Aussengemeinden. Das Petroleum sei bei weitem die nachteiligste Konkurrenz, meinte der damalige Gasdirektor Louis Hartmann. «Den zweiten Concurrenten, das elektrische Licht, haben wir für unsere Verhältnisse in Zürich nicht zu fürchten.» Der Grund aus seiner Sicht: Der Aufwand sei viel zu hoch, die Sicherheit zu klein, und schliesslich sei Zürich nicht der Ort, «wo solche Luxusbeleuchtungen verwendet werden, bei denen es auf Kosten und Mühe nicht ankommt».

Doch Hartmann täuschte sich. Bereits neun Jahre später, 1890, beantragte der Stadtrat «die Errichtung des Elektrizitätswerkes Letten». Der Vorläufer des Gemeinderats, der Grosse Stadtrat, überwies kurz darauf «den Antrag auf Einführung der elektrischen Beleuchtung» an die Gemeindeversammlung. 1892 wurde das EWZ gegründet und im gleichen Jahr produzierte das Kraftwerk Letten an der Limmat zum ersten Mal Strom. Die erste elektrische Beleuchtung wurde nach der Einweihung des Kraftwerks Letten 1893 in Betrieb genommen.

Gekürzte Version des am 31. August 2017 in den Stadtzürcher Lokalinfo-Zeitungen veröffentlichten Artikels «In Zürich war es ohne Lampen ‹pechschwarz›».

Vor 800 Jahren mauerte sich Zürich ein

Ein Überbleibsel der Vergangenheit: das Oetenbachbollwerk im Jahr 1902. Ein Jahr später wurde es als letztes Bauwerk der Zürcher Stadtbefestigung abgerissen. Foto: Baugeschichtliches Archiv, Ernst Linck

Die spätmittelalterliche Befestigung sollte vor Angreifern schützen. Ab 1220 wurde Zürich deshalb zur Grossbaustelle. Doch schon vorher gab es Mauern.

Die Banner des grossen Habsburger Heers wehten vor den Mauern. 1292 belagerte Herzog Albrecht I. Zürich. Er wollte die Stadt wieder unter seine Herrschaft zwingen. Der Herzog rechnete sich gute Chancen aus. Zürich soll zuvor bei einem Kriegszug gegen Winterthur so viele Männer verloren haben, dass die Stadt nun beinahe schutzlos war.

In der Not entschlossen sich darum die Frauen, sich als Krieger zu verkleiden, und marschierten mit Spiessen bewaffnet auf den Lindenhof. Herzog Albrecht beobachtete dies von seinem Lager und glaubte, ein starkes Heer stünde zur Verteidigung der Stadt bereit. Die Belagerung wurde aufgehoben und Zürich verschont. So zumindest die Überlieferung des Mönchs und Chronisten Johannes von Winterthur.

Hätten keine Mauern die Stadt umgeben, wäre Zürich wohl von den Habsburgern erobert worden. Auch später bewährte sich die Befestigung, etwa als Herzog Albrecht II. Zürich gleich drei Mal belagerte. 1354 erhielt er gar von König Karl IV. mit einem Heer Unterstützung. «Zeitweilig sollen so 50 000 Mann vor Zürich gelegen haben», heisst es in der Schrift «Stadtmauern: Ein neues Bild der Stadtbefestigungen Zürichs» des Amts für Städtebau. Die gut ausgebaute Befestigung, aber auch diverse Spaltungen im Lager der Angreifer hätten eine Besetzung verhindert.

Es ging nur durch Tore in die Stadt
Zürichs spätmittelalterliche Stadtbefestigung war ein Grossprojekt des 13. Jahrhunderts. Schriftliche Quellen weisen ab den 1220er-Jahren auf eine rege Bautätigkeit hin. 2400 Meter lang, gegen 11 Meter hoch soll die Befestigung gewesen sein. 16 Türme gehörten dazu. Wo wichtige Landstrassen die Stadt erreichten, musste man grosse Haupttore passieren – das Niederdorf-, Neumarkt-, Oberdorf- und Rennwegtor. Zu den Haupttoren gehörte das Grendeltor, welches in der Limmat stand und als Durchgang für den Schiffsverkehr diente. Gemäss dem Buch «Stadt und Landmauern» bezeichnet der Begriff Grendel «Sperrbalken, die sich als Riegel an den Stadttoren befanden oder, durch Ketten zu bewegen, auf dem Wasser den Schiffen die Durchfahrt versperrten». Wachdienste waren Bürgerpflicht, es gab aber auch besoldete Wächter. Die Zünfte übernahmen zeitweise die Bewachung, in Kriegszeiten wurden Bewohner der umliegenden Dörfer einbezogen.

Die spätmittelalterliche Befestigung waren allerdings nicht die ersten Mauern, die Zürich umgaben. Die Forschung geht davon aus, dass schon der ursprüngliche Kern mit der burgähnlichen Palastanlage auf dem Lindenhof als Befestigung ausgebaut war. Im 11. oder 12. Jahrhundert wurde ein grösseres Gebiet ummauert – vielleicht die ganze damalige Stadt.

Die bekannte Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert war also nur ein massiver Ausbau. Heute ist von ihr kaum etwas übrig geblieben, im 19. Jahrhundert wurden Mauern und Türme abgerissen. Bereits mit dem Bau der Schanzenanlagen ab 1642 – die als dritte Stadtbefestigung bezeichnet wird – verloren die mittelalterlichen Mauern ihren eigentlichen Zweck zur Verteidigung. «Der barocke Schanzenring umschloss eine doppelt so grosse Fläche wie die mittelalterliche Kernstadt», heisst es in «Stadtmauern: Ein neues Bild der Stadtbefestigungen Zürichs».

Das Ende der Zürcher Stadtbefestigung kam mit der Schleifung der Schanzenanlagen 1833. Der Landbevölkerung war sie schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Sie symbolisierte die Vormachtstellung der Stadt, da die Mauern nicht nur eine militärische Funktion hatten, sondern die städtische Autonomie repräsentierten. Kein Feind hatte also die Befestigung zum Fallen gebracht, sondern die eigene Bevölkerung. Erst durch ihren Abriss konnte sich die Stadt richtig ausbreiten.

Zuerst veröffentlicht in den Lokalinfo-Zeitungen vom 14. Mai 2020.

Als noch niemand von Smartphones sprach

«Hallo?»: An der ETH wurden um 1941 interne Versuche mit einer kleinen Telefonzentrale der Hasler AG durchgeführt (Bild links). Foto: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Kein Touchscreen, dafür aber mit Wählscheibe: Ein Buch beleuchtet die Geschichte der Schweizer Telekomindustrie. Die Spuren führen auch nach Zürich.

Es war ein populäres Telefon: Die 1927 von der Firma Hasler entwickelte Tisch-Station mit runder Wählscheibe fand man in vielen Schweizer Haushalten. Die Eidgenössische Obertelegraphendirektion, ein Vorläufer der Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT) und der Swisscom, hatte es zum Normaltyp erklärt.

Früher konnten Schweizerinnen und Schweizer nicht wählen, bei welchem Unternehmen sie ihr Telefonabonnement abschliessen wollten. Selbst die Auswahl an Telefonapparaten war eingeschränkt. Als einziger Anbieter wirkte der Staat – bis zur Liberalisierung 1998. Aus den PTT gingen damals die Schweizerische Post und die Swisscom hervor.

Das Buch «Versuch, Erfolg, Irrtum. Telekomindustrie von Hasler zu Ascom» beleuchtet die Geschichte der Firma Hasler aus Bern, über Jahre führender Lieferant für Telefonzentralen und Telefonapparate. Autor Karl Lüönd, einst Chefredaktor der ehemaligen Wochenzeitung «Züri-Woche», beschreibt den Aufstieg und den Abstieg des Unternehmens – und gibt interessante Einblicke in die Schweizer Telekomindustrie. 1987 fusionierte Hasler mit den Unternehmen Autophon und Zellweger zum Technologiekonzern Ascom. Die Vorgängerfirmen der Ascom und ihre Konkurrenten Standard Telephon und Radio AG Zürich sowie Albiswerk Zürich AG hatten den Telefonmarkt unter sich aufgeteilt. Standard produzierte einst in der Roten Fabrik in Wollishofen, später gehörte sie zur Alcatel. Aus dem Albiswerk in Albisrieden wurde die Siemens Schweiz. Die PTT teilten ihre Bestellungen bei den Herstellern so auf, dass alle genug ausgelastet waren.

Anschluss nicht geschafft
Die Digitalisierung der Telefonie und die Liberalisierung des Marktes stellte eine Zäsur dar. Schweizer Telefonhersteller verschwanden langsam vom Markt. Die Ascom wurde von Wirtschaftsjournalisten abwertend als «Gemischtwarenladen» bezeichnet. Heute ist das Unternehmen immer noch tätig, etwa im Gesundheitsbereich mit einem speziellen Smartphone fürs Pflegepersonal.

Karl Lüönd: «Versuch, Erfolg, Irrtum. Telekomindustrie von Hasler zu Ascom». Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich, 2020. www.pioniere.ch

Zuerst veröffentlicht in «Züriberg» vom 23. Juli 2020.